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Veröffentlicht am 23.01.2003.
Es ist späte Nacht und ich müsste eigentlich schlafen. Doch es drängelt in mir, ich muss noch ein bisschen schreiben.
Natürlich bin ich in Birgit's Haus, und Anna hatte einen wundervollen Film organisiert, ganz in ihrem Element: Russland, Schnee, gefühlstief und tragisch: Tolstoys "Anna Karenina". Birgit und ich waren für Verpflegung verantwortlich, Jimguba mit Honig, Joguhrt, Tee. Mmmh, lecker!


Heute hab' ich den ganzen Tag mit Deutschunterricht verbracht. Doch als ich Birgit davon erzählt habe, hat sie mir ziemlich deutlich gesagt, dass für angolanische Grundschullehrer in ländlichen Gebieten englisch nützlicher ist und die Schüler hätten keine Entscheidungskraft, ich soll gefälligst...aber da diese Schüler mir portugiesisch beigebracht haben, möchte ich doch gern danke sagen.
Außerdem habe ich heute ein bisschen Geld bekommen, allerdings nicht wie gewünscht für die 2 Wochen, die mir ADPP schon schuldet, sondern nur für eine. Naja, nicht verzagen, verglichen mit den Locals und meinem Kontostand von letzter Woche bin ich reich. Und in Birgit's Haus brauche ich mir um Speis und Getränk zum Glück keine Sorgen machen.

Gestern war ein ganz besonderer Tag, nämlich faul in Sachen Projektarbeit. Ich bin in die Stadt gefahren, um meine E-Mails zu lesen. Ich war einfach so in der Laune, auch wenn es gar nicht Montag war. Aber in den letzten Tagen einschließlich dem Wochenende habe ich einfach zu viel gearbeitet. Und es war sooo nett. In der Stadt und auch in Quissala. Und wie als hätte es einen Banküberfall gegeben, hat die ganze Stadt mich gefragt, ob ich meine Kamera, die mir Montag geklaut wurde, schon wiederhabe. Erinnert ihr euch noch, wie viele Telefone die Stadt hat? So gut wie keine und trotzdem...unglaublich. Und dann habe ich natürlich wieder ein paar Freunde nur so auf der Straße getroffen. Also sind wir in eine Kneipe gegangen, die hat uns auf Fanta eingeladen. Jemand hatte eine Gitarre dabei und die ging so herum und jeder hat ein bisschen geklimpert. Und Reggae, weil ich bin ja in Afrika. Ich mag diese Spontanität. Was ist nur mit dem größten Teil der westlichen Welt schiefgelaufen, das es als unhöflich und unangenehm angesehen wird, nicht vorher anzurufen. Zum Glück weiß ich, dass es auch in Deutschland nette Fleckchen gibt, keine Angst, Familie, ich werde bald bei euch sein. Es war so schön, die Post von euch allen zu lesen. Auch von Margit, die mir wieder einen halben Roman von der anderen Seite des Atlantiks geschickt hat, Brasilien. Ob ich dort wohl auch noch hinkomme? Und Irland, Martin sagt, dass er wohl nur 3 Monate dort bleibt, bis er das Geld für Australien zusammen hat. Er kann überhaupt nicht verstehen, was die Massen deutscher Touristen dort ständig für Dinge treiben. Im Regen verfallene Schlösser besuchen, um sich vom Stress der efektiv organisierten Informationsgesellschaft zu erholen. Und auf straßenüberquerende Schafe mit rosafarbenen Punkten zu warten. Nun, lieber Rest der Gruchow-Sippe, ich möchte mir das doch sehr gern mal selber anschauen. Wann fliegt ihr?

Ich bin gerade am Planen, wie ich das nächste Wochenende organisiere, es ich habe alle zur Party eingeladen: Dinda's Haus, Pinto, Adriano, und die Leute aus Paula's Restaurant, und so glaube ich, dass wir bestimmt 50 Leute sind. Und dann habe ich diesen Sonntag gar nichts vor, also können wir alle ganz lange aufbleiben...

Und dann muss ich noch eine ganz klitzekleine Geschichte erzählen: Letztes Wochenende hatten die 2000-Schüler incerramento (como se escreve?) und der Governor hatte ein paar Geschenke, unter anderem Wiskey und Rotwein. Und ADPP, das ist ja bekannt, ist ganz strikt gegen Alkohol. Deshalb war es schon um so erstaunlicher, das die beiden Flaschen Anna's wachsamen Auge entschwunden und kurz darauf an zwei Orten aufgetaucht sind: In Rua Caná gab's den Wiskey und .... trommelwirbel .... In Birgit's Küche steht der Rotwein. Und ich habe auch schon Diskretion und Korkenzieher angeboten. Nicht das ich auch nur einen Schluck von der Flasche abhaben will. Aber es kann mir ja auch nur recht sein, in diesem Haus, in dem ich so willkommen bin und ich mich auch so wohl fühle, ein bisschen nette Atmosphere zu haben. Ich nehme mir ein bisschen von der Milch, die ich mir allein nicht leisten kann und Birgit bekommt ein bisschen Governadors-Rotwein, ohne das jemand anderes davon etwas bekommt. Ach, so froh bin ich, dass die meisten der ADPP-Dänen in der Schule schlecht genug aufgepasst haben, um kein Deutsch zu verstehen.

So, denn schlaft ja mal alle schön in eurer kalten Welt, ich werde jetzt noch ein bisschen nette Musik hören, bis der Akku versagt.

Nächtelchen!!

Angola

Beschreibung

Von September 2002 bis März 2003 habe ich bei der Organisation ADPP in Huambo, Angola als Tutor gearbeitet. Ich habe Englisch und Computernutzung an einer Schule für angehende Grundschullehrer unterrichtet.

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