Igittigittigitt!

Veröffentlicht am 04.01.2003.
Von gestern zu heute des Nachts ist mir das ekligste passiert, das mir Afrika bis jetzt zu bieten hatte. Da ist die Blase eines Schweines, die mir ein angetrunkener Angolaner vor 2 Monaten auf dem Markt zur Probe angeboten hat, fast schon ein angenehmer Gedanke, man hat ja Humor. Und auch an Hühnchen, die am Straßenrand ausgenommen werden, gewohnt sich selbst ein Städter wie ich. Und Mosquitostiche sind ja Alltag. Aber heute morgen gegen eins muss ich aufwachen, weil es am ganzen Körper krabbelt und brennt. Instinktiv kranzte ich die krabbelnden Stellen, worauf es überall ganz schrecklich zu brennen anfängt. Und jede Bewegung macht es schlimmer. Und die Nacht ist afrikanisch, komplett schwarz. Und noch schlimmer brennt es. Ich mühe mich aus dem Mosquitonetz, schaffe es trotz der Schmerzen nach ein oder zwei Ewigkeiten, eine Kerze zu entzünden, doch ich bin ja so unvorbereitet auf das, was ich erblicken muss: Mein Bett und ich sind voller Ameisen, das Netz ist schwarz von den Tieren, die bunt gemischt von 1 bis 20 Millimeter Länge fleissig arbeiten. Ich bin barfuss und der Fussboden bietet keine einzige freie Stelle, die Ameisen klettern übereinander und natürlich an mir hoch. Ich kämpfe mich zum Bett vor, doch dass ich dann endlich meinen Schlafsack erreiche, hat seinen Schmerz. Den Sack nehme ich und renne in Martin's Haus, das jetzt ein Bett für mich frei hat. Dort angekommen, habe ich versucht, mich von allen verbleibenden Tieren zu befreien. Und natürlich regnet es auch in sein Haus, deshalb ist die Matraze nass, aber dafür viel weicher als meine, vom Stahlrost nichts zu spüren. Doch kalt ist es, fürchterlich kalt. Irgendwann schlafe ich wieder ein und ein neuer Morgen mit der Aufgabe mein Haus zurückzuerobern, erwartet mich. Ich beschliese, nur die nötigsten Dinge zu schnappen, und dann gleich in die Stadt zu gehen. Das klappt nicht so ganz, natürlich haben auch und gerade am Wochenende besonders viele Leute Ideen, welche ganz wichtigen Arbeiten noch in der nächsten Minute bewältigt werden müssen. Ich ziehe mich ins Lehrerzimmer zurück, dort ist Calito, ein Ex-Student, der richtig viel interessantes zu erzählen hat. Statt um 10 (Plan) bin ich 14 Uhr in der Stadt, doch Anna erlaubt es natürlich nicht, dass ich über Nacht bleib. Die Städter wundern sich über solche Regeln natürlich, doch ich muss irgendwie zugeben, dass es mich riesig verblüfft, dass keiner mich beklaut. Doch zumindest ist die Stadt kein Busch, wie Quissala, wo es eindeutig mehr Ameisen gibt.

Nun habe ich die Zeit, endlich kann ich alles aufschreiben. Von der Begegnung gestern auf dem Markt, in der mir jemand 50 Kwanzas geschenkt hat, Boas Festas. Von dem Mann mit Krücke, der mir einen Stein geschenkt hat und mich noch dazu in seinem 2½-m²-Haus vor dem gigantischen 10-Minuten Gewitterguss bewahrt hat. Und Joaquim, an den ich mich peinlicherweise nicht mehr errinert habe, ist doch auch so ein Netter und natürlich kennt er alle Leute vom Roten Kreuz. Denn Huambo ist ein kleines Dorf mit einer halben Million Einwohner.
Jetzt sitzt gerade Satchimbiali neben mir im Computerraum, ich habe ihm eine Liste mit allen Liedtexten von Eagle-Eye Cherry ausgedruckt und jetzt übt er Aussprache und Bedeutung. Und manchmal übersetzen sich die heftig idionomlastigen Texte ganz und gar nicht ins Portugiesische. Und Michael Jackson und R Kelly haben auch viele Lieder gemacht, und ohne Internet muss ich mich dann überall per Hand duchhören, anstatt die Webseite der Plattenfirma zu besuchen.

Ich bin sicher, dass sich die Tierchen wieder beruhigt haben, ich kann jetzt bestimmt nicht eine einzige Ameise im ganzen Haus finden. Bis zur nächsten Mahlzeit. Und ich habe keine Ahnung, was die Tiere interessiert. OK, ich habe vergessen, den Zucker zu schließen, doch darin waren nur ein paar der Meisen. Und für alle, die nicht wissen, was sie mitbringen sollen: Tuberware und Zimt, oh wie gern würde ich doch meine Speisen mit Zimt genießen!

Ach so, eine kleine Bemerkung zum Wetter, das muss ja für die Europäer unter euch schon ganz schön unverstellbar sein: Es gibt jeden Tag Gewitter. Selbst mit drunkenmachenden Sternenhimmel ist irgendwo eine dunkle Stelle in der es zuckt und zaudert, funkt und fackelt und wieder erlischt. Und nachts ist es manchmal kalt und nie zu warm, dafür sucht ein jedes tagsüber den Schatten auf, wenn es ein Thema zum Besprechen gibt und das gibt es immer, oder?

Angola

Beschreibung

Von September 2002 bis März 2003 habe ich bei der Organisation ADPP in Huambo, Angola als Tutor gearbeitet. Ich habe Englisch und Computernutzung an einer Schule für angehende Grundschullehrer unterrichtet.

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