Dresdner Klimaaktivist; #TeamHabeck

Klimaprotest im Amtsgericht: Weckruf an die Gesellschaft

Veröffentlicht am 17.11.2024.

Am 19. November ab 9 Uhr sollte am Amtsgericht Dresden der Prozess stattfinden, gegen mich und drei weitere Aktivist:innen der Klimabewegung Letzte Generation. Uns wurde Nötigung in Zusammenhang mit einer Straßenblockade am 8. Dezember 2022 vorgeworfen. Der Verhandlungssaal war bis auf den letzten Publikumsplatz besetzt.

Ich bin gern im Gericht - diesmal in der Rolle des Angeklagten. Ich hatte mich gut auf das Verfahren vorbereitet, mein Plädoyer aktualisiert, Notizen für das letzte Wort gemacht und so weiter. Für mich ist es Teil des politischen Miteinanders, dass ich beim Klima, einer dringenden Angelegenheit, bewusst auch die Justiz einbeziehe. Ich akzeptiere das Risiko von Gefängnis, weil die Bedrohung für Gesundheit, Rechtsstaat und Wohlstand durch rapide Klimaänderungen mehr fürchte. Ich möchte durch meine Arbeit am Schreibtisch, im Gerichtssaal und auf der Straße eine stabilere Welt hinterlassen. Dafür brauche ich kein Lob - ich mach das zur Not allein. Als Gruppe geht natürlich vieles leichter. Daher habe ich mich gefreut, dass ich zum zweiten Mal nicht der einzige Angeklagte im Raum bin: eine ganz andere Dynamik, mit Freunden am Tisch.

Allerdings: am Tag vor der Verhandlung hab ich einen Brief zur Einstellung des Verfahrens auf Staatskosten bekommen.

Im Gericht - 19.11.2024

Im Saal passte der Richter einen weiteren Angeklagten ab, Arne: auch er bekam noch vor Verhandlungsbeginn die Einstellung nach § 154 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 1 2 Alt. StPO. Die Verhandlung begann mit den zwei verbleibenden Angeklagten, Klara und Jeremy, doch bereits nach der Klaras toller Einlassung stellte der Staatsanwalt den Antrag auf Einstellung nach § 153a StPO. Der Vorschlag: 500 € für Jeremy und 100 Sozialstunden für Klara binnen 6 Monaten. Die beiden stimmten zu.

Wir haben danach noch lange geplaudert und vegan gefrühstückt, erst im Gerichtsgebäude und dann im Café vcake.

Der Protest am 08.12.2022

Wir haben im Dezember 2022 friedlich die Nürnberger Straße in Dresden blockiert.

Direkt neben der Blockade fand auch eine Demonstration statt, bei der 80 Aktivist:innen teilnahmen. Wir forderten in Redebeiträgen die Unterzeichnung des Vertrags über die Nichtverbreitung fossiler Brennstoffe. Vor dem Hörsaalzentrum der TU Dresden spannten wir dazu ein riesiges Banner – neun mal drei Meter groß. Unsere Botschaft war klar: Das Ende der fossilen Ära muss jetzt beginnen.

Straßenblockaden für Klimaschutz sind ein Innehalten – so wie der Verkehr stockt, wenn Brücken durch reißende Fluten zerstört werden. Sie zwingen uns, die Dringlichkeit der Situation zu erkennen, bevor wir einfach weitermachen können.

Gemeinsam mit den anderen Aktivist:innen entrollte ich ein Banner mit der Aufschrift „Was, wenn die Regierung das nicht im Griff hat?“. Das Banner könnt ihr euch nun fast kostenlos zuschicken lassen.

Ich mein das liebevoll und voller Empathie für die Menschen in Machtpositionen: ihr könnt das besser. Ihr könnt klarer über die Bedrohung sprechen. Wasser in der Innenstadt von Rostock können wir unseren Enkeln ersparen, wenn wir das zusammen angehen.

Kontext: zu wenig politische Leitplanken, um die Klimakrise zu bremsen

Dieses Banner bezog sich auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts von 2021, der deutlich macht, dass die deutschen Klimaschutzmaßnahmen nicht ausreichen, um die Rechte der kommenden Generationen zu wahren. Das Gericht stellte klar, dass zukünftige Freiheitsrechte nicht in unzumutbarem Maße eingeschränkt werden dürfen, weil heutige Maßnahmen unzureichend sind – die Ziele der Bundesregierung sind einfach viel zu niedrig gesteckt.

Weitere Gerichtsbeschlüsse, wie der des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg zu fehlenden Sofortmaßnahmen unterstützen diese Position. Auch der Expertenrat der Bundesregierung für Klimafragen erklärte im Juni, dass Deutschland seine Ziele in den Bereichen Verkehr und Gebäude erneut verfehlen wird.

Kriminalisierung der Klimabewegung hat Folgen für die Demokratie

Eine abschreckende Wirkung geht von den bisherigen Strafen gegen politischen Einsatz aus, was letztlich der Demokratie schadet. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zeigt, dass Klimaprotest ein politisch wertvolles Ziel ist. Wenn wir nicht jetzt aufstehen, wann dann?

Das EU-Parlament hat den Klimanotstand ausgerufen. Wer sollte auf die vorherige und die nächste Bundesregierung aufpassen, wenn nicht wir Bürger:innen? Ich bin keiner, der schnell meckert, sondern denk oft: sie werden gute Gründe haben. Ich bin Optimist. Ich bin voller Respekt für den Beruf des Politikers. Beim Klima ist mir jedoch komplett klar: die Aufgabe ist es, Treibhausgase zu vermeiden, und das so, dass wir als Gesellschaft gemeinsam, vorhersehbar und fair daran arbeiten. Da passiert viel zu wenig, und wie Guterres sagt: Dieser Verzicht auf Führung ist kriminell. Das bricht für mich den Amtseid unseres Bundeskanzlers - und das Grundgesetz.

Wir berufen uns auf Urteile und Beschlüsse, die die Verantwortung jeder Bundesregierung für die Einhaltung der Klimaschutzziele hervorheben.

Ich habe mich damals mit einer Hand auf der Straße festgeklebt, mit der anderen das Banner gehalten, um auf den dringend nötigen Kurswechsel hinzuweisen. Damals war das richtig; heute würde ich es nicht mehr machen, weil die Gesellschaft beim Klima eine andere Erzählung braucht. Ich leide sehr darunter, Menschen in Autos zu nerven. Viele wollen nach der Arbeit nach Hause fahren, einige verpassen Termine. Das tut mir weh. Ohne entschlossenes politisches Handeln wird uns die eskalierende Klimakatastrophe jedoch alle treffen. Der klimafreundliche Umbau ist teuer, aber er lohnt sich: Die wirtschaftlichen Schäden, die durch das Zögern der Politik entstehen, wären laut Versicherungen um ein Vielfaches teurer.

Pressespiegel vom 08.12.2022

Ich bleib dran. Der nächste Protest für den Klimabeirat findet am 21.11. zur Stadtratssitzung am Rathaus Dresden statt. Am 05.12.2024 werden wir bei der SachsenEnergie protestieren, dem größten CO₂-Emittenten unserer Stadt. Und ab 08.12. müssen wir in Berlin gegen die Erdgaslobby protestieren, denn sie halten uns länger als nötig im fossilen Energiesystem fest.

Christian Bläul am Fritz-Foerster-Platz

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