Vergleich: ich muss zahlen, obwohl ich nichts Falsches getan habe - mehr als 1000 € weg - Teil 2/2

Heute um 10 Uhr begann die Güteverhandlung zu einem außergewöhnlichen Zivilverfahren: Ich habe nie an einer Aktion in einem Museum teilgenommen. Dennoch sollte ich 1135 € bezahlen und versprechen, das zu unterlassen. Mehr Hintergrund und Dokumente dazu findest du in Teil 1. Das große Überthema ist Klimaschutz.

In diesem Teil 2 möchte ich von der Verhandlung selbst berichten.

Bereits bei meiner Ankunft am Gerichtssaal war klar: Es gibt öffentliches Interesse. 8 Menschen von der Presse und 9 Unterstützer der Letzten Generation begrüßten mich. Nachdem die Fotografen ihre Fotos vor und im Gerichtssaal gemacht haben ging’s los: Der Vorsitzende fasste zunächst die bisherigen Vorgänge zusammen: dass es Zeitungsartikel gibt, die mich als Sachsens bekanntesten Klimaaktivisten bezeichnen. Dass meine Oma die Aktionen der Letzten Generation unterstützt, aber mich gebeten hat, dass ich nie auf Flughäfen oder in Museen klebe. Dass ich ihr das nicht versprechen könne. Dass die Staatlichen Kunstsammlungen aus Sicht des Vorsitzenden eine formal korrekte Klage eingereicht hat. Dass die Klage auf Unterlassung vor Erstbegehung vom Urteil des Bundesgerichtshofes gestützt wird. Dass ich noch nie an einer Aktion im Museum teilgenommen habe, aber dass die Staatlichen Kunstsammlungen (SKD) das Risiko plausibel dargestellt hätten.

Richter Prade machte deutlich, dass ich als Beklagter ein erhebliches Prozessrisiko trage - mit anderen Worten: dass ich sehr wahrscheinlich verlieren werde, wenn ich mich nicht mit der Klägerin einige. Als Vorsitzender hätte er natürlich eine der drei Stimmen; die beiden anderen würden von der Richterin Frau Salz und dem Richter Herrn Eckert kommen. Es klang für mich sehr danach, als hätten sich die 3 im Vorfeld über mögliche Ausgänge unterhalten.

In meiner Einlassung habe ich darauf hingewiesen, dass es sich sehr nach einem SLAPP-Verfahren anfühlt - strategic lawsuits against public participation: Wie es war, als ich im Mai 2023 im Brief erst die Rechnung von 1135 € und dann die strafbewährte Unterlassungserklärung finde. Wie für mich unterschreiben heißen würde, die 1135 € zu zahlen. Wie das Schreiben aus dem Nichts kam - und dass ich sofort unterschrieben hätte, wenn die Kosten nicht wären. Dass es keinerlei vorherige Kontaktaufnahme durch die Staatlichen Kunstsammlungen gab. Auch Richter Prade beanstandet, dass es keinen Ausweg als Bezahlen gab und erklärt, dass er für diese Rechnung das Prozessrisiko bei den SKD sieht - das also wahrscheinlich wir Steuerzahler:innen die 1135 € für die Anwälte von KPMG Law bezahlen werden.

Ich habe erklärt, dass meine Bekanntheit von der Presse erstellt wurde, nicht andersherum. Die Presse hat sich mich herausgepickt. Dadurch wurden die Staatlichen Kunstsammlungen auf mich aufmerksam. Ich werde bestraft trotz Abwesenheit eines Plans, Schaden im Museum anzurichten. Ich wusste auch nichts von der Aktion an der Sixtinischen Madonna, und habe daraus auch erst durch die Zeitung erfahren.

Ich habe berichtet, dass mein Ziel Klimaschutz ist und ich deswegen auch im Bereich der Erneuerbaren Energien arbeite. Dass ich kein Lauter bin und nur dort protestiere, wo ich eine klare Verbindung zum fossilen Problem sehe - damit meine ich Regierungsviertel, Erdölpipelines und natürlich Straßenblockaden, denn der Verkehrssektor hängt deutlich hinter den Zielen hinterher.

Ich erkläre auch, dass ich die Verbindung zwischen Museen und Treibhausgasen nicht sehe. Dass ich deshalb persönlich nie vorhatte, in Museen zu protestieren. Dass ich aber auch Aktivisten wie Maike Grunst und Jakob Beyer zustehe, eigene Entscheidungen zu treffen, die ich nicht vor der Presse kritisieren wollte - daher die Aussage, dass ich es meiner Oma nicht versprechen kann. Nicht, weil ich es auch nur im Geringsten vorhabe, sondern weil ich Maike und Jakob als Menschen unterstützen möchte - die beiden hatten sich am 22.08.2022 an den Rahmen der Sixtinischen Madonna geklebt.

Auf Basis aller Informationen habe ich mich heute entschieden, mich mit den SKD zu einigen. Das ist der für den heutigen Tag aus meiner Sicht finanziell günstigste Weg.

Die Einigung

Die 1135 € vorgerichtliche Anwaltskosten muss ich nicht zahlen, dafür aber Gerichtskosten und andere Anwaltskosten - vermutlich dennoch mehr als 1000 €. Sehr wahrscheinlich muss ich 80 % der Kosten des KMPG-Anwalts zahlen. Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Ich aktualisiere den Text hier mit den Rechnungen und genauen Beträgen, sobald ich sie habe.

Wie geht’s mir damit?

Die Auslegung des Richters hat definitiv meinen Glauben an das Gute erschüttert. KPMG Law, die Anwaltskanzlei der SKD, verdient, egal ob ich als Aktivist oder wir alle als Steuerzahler:innen deren Rechnung bezahlen. Dass ich ohne Tatplan Geld zahlen soll, obwohl ich nicht Falsches oder Verbotenes gemacht habe: nicht meine Auffassung von Gerechtigkeit. Dass die Klägerin SKD hier KPMG beauftragt hat, wirft kein gutes Licht auf die sächsischen Museen. Die SKD könnte so jeden Aktivisten verfolgen, der bereits Museumsaktionen befürwortet hat. Hier könnten auch beliebige Betriebe kommen - zum Beispiel Flughäfen - und ohne jede Klimaschutzaktion eine fette Rechnung schicken. So eine Welt sollten wir nicht erlauben und ich hoffe sehr, dass das eine sehr besondere, absurde Ausnahme bleibt.

Liebe Menschen bei den SKD, wenn ihr das richtiger machen wollt, dann zahlt bitte die Kosten, die mir durch die heutigen Gerichtstermine entstehen.

Pressespiegel

Einige der Zeitungsartikel sagen, dass die Staatlichen Kunstsammlungen mir einen Weg angeboten hätten, ohne Geldzahlung davonzukommen. Das ist nicht korrekt.

Zumindest haben wieder etliche Zeitungen darüber geschrieben, immer mit dem Verweis auf Klima. Aus wirtschaftlicher Perspektive lohnt sich Klimaschutz langfristig, auch wenn er kurzfristig sehr teuer ist.

Ich werde mich weiter für Klimaschutz einsetzen: auf der Straße und am Schreibtisch. Meine nächste Protestaktion wird am 07.11.2024 ab 8 Uhr am Fritz-Foerster-Platz in Dresden stattfinden.