Dresdner Klimaaktivist

Ölpipeline zugedreht, keine Strafe.

Veröffentlicht am 11.05.2024.

Christian Bläul vor dem Kölner DomAm 13. Mai 2024 stand ich vor Gericht in Bergheim bei Köln. Mir wird § 316b StGB Störung öffentlicher Betriebe, § 123 Hausfriedensbruch sowie § 303 Sachbeschädigung vorgeworfen. Eine Entscheidung wurde nicht getroffen, weil die Sachlage nicht klar war. Der Staatsanwalt hat für Wolli 70 und für mich 90 Tagessätze gefordert. Am 26.05.2025 hat er endlich der Einstellung des Strafverfahrens zugestimmt.

2022 habe ich eine sehr bewusste Entscheidung getroffen, zu der ich stehe: Ich habe am 01.05.2022 mit Wolli das Handrad eines Wartungsventil der Ölpipeline RMR zugedreht. Durch die Pumpstation in Geyen fließen normalerweise Mineralölprodukte von den Niederlanden nach Süddeutschland. Laut Anklageschrift floss zwei Stunden lang kein Öl mehr durch diese Leitung. Mein Ziel war es, ein klares politisches Zeichen gegen die fortwährende Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu setzen. Ich appelliere an die Instanzen der Demokratie, die ich erhalten möchte.

Ich finde es richtig, dass mein Akt der Zivilcourage gerichtlich geprüft wird. Wir benötigen eine tiefgreifende und öffentliche Debatte über die Dekarbonisierung unserer Wirtschaftsweise. Deutschland ist süchtig nach fossilen Brennstoffen. Diese Abhängigkeit gefährdet nicht nur unsere unmittelbaren Lebensgrundlagen, sondern auch die Zukunft unserer Kinder und Enkel. Das ist im Preis von Öl nicht enthalten, sondern ist externalisiert. Die vollständigen volkswirtschaftlichen Kosten von Erdöl übersteigen den Nutzen bei weitem. Wir haben bereits genug Technologien erfunden, um unser Leben schlauer mit Energie zu versorgen.

Die Kosten für einen Anwalt sind hoch und ich möchte nicht auf Spenden oder Sozialleistungen angewiesen sein. Deshalb verteidige ich mich selbst. Klimaschutz ist der Schutz unserer Enkel – wir leben auf Kosten zukünftiger Generationen. Diese Überzeugung treibt mich an und gibt mir die Kraft, vor Gericht zu stehen. Ich mach das gern.

Neben mir war auch mein Freund Wolli (Wolfgang Metzeler-Kick), ein erfahrener Ingenieur für technischen Umweltschutz, an der Aktion beteiligt. Wolli befindet sich seit über zwei Monaten im Hungerstreik, als Teil der Kampagne „Hungern bis ihr ehrlich seid“, die im Invalidenpark in Berlin ein Camp hat. Wenn ihr Camp und Öffentlichkeitsarbeit finanziell unterstützen wollt: ich habe ein Crowdfunding aufgesetzt. Ich bewundere Wollis Entschlossenheit und sein Opfer sind ein drastisches Zeichen dafür, wie ernst es uns ist. Mit ihm zu sprechen ist eine Quelle der Freude: er ist wie ich eher fröhlich und lustig, trotz der ernsten Lage.

Bevor wir das Ventil zugedreht haben, haben wir den Pipeline-Betreiber angerufen. Es war mir wichtig, klarzustellen, dass es nicht unser Ziel war, die Infrastruktur zu beschädigen. Wir behandeln die fossile Infrastruktur mit Sorgfalt, denn unser Engagement richtet sich nicht gegen die Menschen, die in diesen Industrien arbeiten. Stattdessen wünschen wir uns von der Politik bessere, ehrliche Klimaschutzmaßnahmen und eine klare Kommunikation in der Krise. Wir brauchen einen geordneten Ausstieg aus der Nutzung von Erdöl. Das kostet sehr viel - aber weniger, als die Schäden des Weiter-so.

Unser Bundeskanzler Olaf Scholz hat den Amtseid geleistet, Schaden von uns abzuwenden und das Grundgesetz zu wahren. Artikel 20a sagt klar:

„Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.“

Die Herausforderungen, die vor uns liegen, sind gewaltig. Laut dem neuesten IPCC-Bericht müssen wir drastische Maßnahmen ergreifen, um die Erderwärmung auf 1,5 °C zu begrenzen - wir könnten das schaffen! Wir haben bereits jetzt mehr CO₂ in der Atmosphäre, als es für dieses Ziel verträglich wäre. Jeder Tag, den wir zögern, erhöht das Risiko für zukünftige Generationen unnötig. Gleichzeit wird es nie zu spät sein, obwohl die Wirkung unseres Handelns jetzt größer ist als später. Es scheint mir wirtschaftlich sehr, sehr unwahrscheinlich, dass wir die vom IPCC bereits in den Prognosen einberechnete Entfernung von CO₂ aus der Luft hinbekommen. Mit anderen Gesetzen und einer weltweiten Allianz ginge es aber.

Im Gerichtssaal habe ich versucht, meine Überzeugungen zu verteidigen, nicht nur als Aktivist, sondern als Bürger, der sich um die Zukunft unseres Planeten sorgt. Einen juristischen Erfolg hatte ich schon gegen die Feuerwehr-Rechnung. Es geht nicht um meine persönliche Meinung, sondern um wissenschaftliche Fakten und die notwendige, demokratische Transformation unserer Gesellschaft.

Pressespiegel zum 1. Verhandlungstag

Pressespiegel zur Aktion vom 01.05.2022

Instagram-Livestream der Aktion am 01.05.2022