Hauptverhandlung am 06.01.2023: 2700 € Geldstrafe

Nach 4,5 h Gerichtsverhandlung steht fest: ich wurde heute für 8 Aktionstage mit der Letzten Generation zu 2700 € Geldstrafe verurteilt. Dazu kommen 280 € für das Gericht. Das ist für mich okay, wir leben in einem Rechtsstaat. Ich habe Berufung eingelegt.

Nun zum Detailablauf:

Personalien, erster Antrag

Zuerst wurde ich nach meinen Personalien gefragt: Name, Adresse, Anzahl Kinder und wo die leben. Dann habe ich meinen Antrag für Laienverteidigung gestellt, für eine Person aus dem Legal-Team der Letzten Generation. Die Staatsanwaltschaft hat vorgeschlagen, den abzulehnen, wie alle meine weiteren Anträge an diesem Tag. Die Richterin hat eine Pause einberufen, um den Bundeszentralregisterauszug für meinen Verteidiger zu drucken. Die Richterin hat den Antrag abgelehnt, weil im Auszug bereits eine Verurteilung stand. Nicht so schön wie Teamarbeit, aber auch kein Problem: ich werde mich also komplett selbst verteidigen.

Einkommen, Verlesung der Strafbefehle

Nun hat die Richterin mich nach meinem Einkommen gefragt. Ich habe ihr gesagt, was ich als Backendentwickler verdiene. Die Staatsanwältin hat die 3 für heute relevanten Strafbefehle vorgelesen: (312 Cs) 237 Js 2888/22 (177/22), (312 Cs) 237 Js 2642/22 (174/22) und (312 Cs) 237 Js 595/22 (157/22).

Dann kam der längste Teil.

Beweisaufnahme

Zeugenbefragung: Es waren 10 Polizist:innen geladen. Jede:r durfte einzeln eintreten; die Richterin hat sie befragt, dann die Staatsanwaltschaft, dann ich. Die Aussagen der Polizei war ein sehr langer Teil voller Wiederholungen, aber auch cool, weil Zeugis alles beantworten müssen, was sie wissen. Es ist ein ziemlich krass, Polizisti zu befragen und sie müssen die Wahrheit sagen. Kurz bevor die Zeugis jeweils gehen durften hat die Richterin ihnen, der Staatsanwältin und mir Fotos gezeigt, auf denen sie die Situation beschreiben sollten. Dann hat die Richterin sie jeweils gefragt, ob sie Verdienstausfall oder Fahrtkosten bezahlt haben wollen.

Dann hab ich meine ganzen Beweisanträge vorgelesen. Viel Jurakram, aber auch ein Jan Böhmermann-Zitat (danke, Legalteam! 😍). Natürlich wurden alle abgelehnt, aber spannend sind die Begründungen. Cool ist, dass zum Beispiel bei Beweisanträgen zum Thema Klimakrise gesagt wurde, dass die Beweismittel nicht nötig sind, weil die zu beweisende Tatsache als wahr angenommen wird.

Plädoyers

Dann kam die Plädoyers, erst von der Staatsanwältin, dann von mir. Ich habe gestern Abend mit einem Menschen aus dem Legalteam 3 eng bedruckte A4-Seiten geschrieben und die heute vorgelesen: juristische Gründe, warum ich freigesprochen werden sollte.

Im Plädoyer habe ich für mich Freispruch gefordert. Ohne Erfolg: Freigesprochen wurde ich nicht. Es wäre juristisch denkbar gewesen, aber die Richterin ist nicht meiner Argumentation gefolgt.

Stattdessen hat die Richterin die von der Staatsanwaltschaft geforderten 90 Tagessätze übernommen und das damit begründet, dass meine Nötigung verwerflich ist und dass mein Ankleben eben doch aktiver, gewaltvoller Widerstand gegen die Polizei war. Ich hatte angegeben, dass es eine Kommunikationsform ist. Die Richterin hat heute gesagt, dass es für mich spricht, dass ich noch keinen Eintrag im Bundeszentralregister habe. Das heißt, laut deren Datenbank bin ich nicht vorbestraft.

Weil ich Berufung eingelegt habe wird es auch hier lange dauern, bis ein Urteil rechtskräftig ist und ich eine Rechnung bekomme.

Aufnahme durch juristische Laien

Es waren 3 wunderbare Menschen aus der Klimablase (ich danke euch 🤗). In den Pausen und nach dem Prozess habe ich positive Rückmeldungen für meine Worte bekommen. Leider meinten sie auch, dass die Richterin vielleicht genervt von mir war. Ich selbst kann das nicht gut einschätzen - es war eine professionelle Situation.

Nach der Zeugenbefragung haben sich einige der Polizisten auch ins Publikum gesetzt. Ein Polizist meinte zu mir in der Pause, dass wir von der Letzten Generation professionell und ehrlich kommunizieren.

Außerdem waren 3 Pressemenschen im Publikum: Insgesamt habe ich heute mit BILD, taz, Sachsen-Fernsehen, DPA und der Berliner Zeitung telefoniert. Mir ist der ganze Medienrummel ein Stückchen peinlich, weil andere Leute wichtigere Sachen zu sagen haben, und wieder andere besser formulieren können. Hier sind ein paar Berichte aus den Medien, in denen der Prozess erwähnt wird:

1. SACHSEN FERNSEHEN: Prozess – Dresdner Klima-Kleber soll insgesamt fast 20.000 Euro Strafe zahlen –
2. FOCUS: Klima-Kleber bettelt um Spenden, weil er Strafen nicht mehr zahlen kann
3. TAG24: Dresdner Mitglied der "Letzten Generation" in Berlin verurteilt: So abgebrüht reagiert er
4. Sächsische Zeitung: Berliner Gericht verurteilt Dresdner Klima-Demonstranten zu Geldstrafe
5. Sächsische Zeitung: Dresdner soll fast 20.000 Euro Strafe für Straßenblockaden von "Letzte Generation" zahlen
6. BILD: Klima-Kleber bettelt um Geld: Er kann die Strafen nicht mehr bezahlen!
7. t-online: So viel muss ein Dresdner für Blockaden der "Letzte Generation" zahlen