Ich bin Klimaaktivist. Mit der Polizei spreche ich grundsätzlich freundlich, auch am Tag meiner Razzia, dem 24. Mai. Ich habe etlichen Polizisten die Hand gegeben und ihnen für ihre Arbeit gedankt.
Zugegeben, sie haben mich sehr früh geweckt und mir vieles weggenommen, darunter viele private Briefe, mein Telefon, meinen Laptop. Sie sollten auch mein Bargeld nehmen, aber zum Glück zählten sie es einfach und gaben es zurück. Sie beschlagnahmten auch den Server meines Hosting-Unternehmens sowie meine private Homepage https://blaeul.de und Kundenprojekte.
Aber im Gegensatz zu dem, was man sich bei einer Polizeirazzia vorstellen könnte, hinterließen sie die Wohnungen meiner Freundin und meines Papas sehr aufgeräumt, nachdem sie jeden Gegenstand sorgfältig untersucht hatten. Zum Glück gab es keinen Gerichtsbeschluss, das Zuhause, in dem meine Kinder leben, zu durchsuchen. Ich habe nichts zu verbergen, aber der Gedanke daran, dass die Polizei die Technik meiner Kinder beschlagnahmt, ist einfach schrecklich. Allerdings weiß ich aus meinen Gerichtsakten, dass die Telefone meiner Kinder abgehört werden, ebenso wie meines. Ruft mich auf Signal an, um das zu umgehen. Sie hatten auch einen Gerichtsbeschluss für mein Bankkonto, um meine Kontoauszüge zu erhalten.
Das heimliche Abhören meines Telefons und ader meiner minderjährigen Kinder ist ermittlungstechnisch unnötig: wir kündigen unsere Klimaschutzproteste immer an, bleiben vor Ort und geben unsere Personalien immer der Polizei. Mir ist die Reduktion von CO₂-Emissionen wichtig genug, um trotzdem weiterzumachen. Jedoch untergräbt die Überwachung von privater Kommunikation die freie Meinungsäußerung und ist damit Gift für die Demokratie, weil sich niemand sicher sein kann, ob die Polizei mitschreibt. Ein beunruhigendes Beispiel hierfür ist die Beschlagnahmung von Postadressen von Unterstützern der Fridays For Future-Bewegung, weil sie Sticker bestellt haben.
Klar, ohne Razzia wäre mein Leben einfacher. Ich hatte so viel Glück: kein Trauma aus der Vergangenheit, keine gezogenen Waffen, kein Geschrei. Sturmhauben werden nur auf der Straße getragen, nicht in den Wohnungen. Ich fühle mich privilegiert. Trotz guter Backups war ich erst einmal aus vielen 2FA-Diensten wie Onlinebanking ausgesperrt. Mein klimafreundlicher Mobilfunkanbieter WEtell hat mir innerhalb von einem Werktag eine neue SIM-Karte zugeschickt.
Ich hege weder Wut noch sonstige negative Gefühle gegenüber dem Staatsanwalt oder dem Richter in München, der die Entscheidungen getroffen hat. Ich halte die Entscheidung für unklug und juristisch fragwürdig. Das Ergebnis ist nun Teil meines Lebensweges, und das ist in Ordnung. Unsere Lebensgrundlagen sind durch die Klimakrise in großer Gefahr. Ich kann nicht akzeptieren, dass wir beim Klimaschutz politisch weiterhin im Schneckentempo vorankommen und werde weiterhin friedlich und entschlossen für Gesetze zur Reduzierung unserer Treibhausgasemissionen auf die Straße gehen - für eine enkelfreundliche Politik.
Polizei und Justiz sind von der Klimakrise und der mangelnden Eile unserer Regierung beim Klimaschutz genauso betroffen wie alle anderen. Selbst wenn es bei mir mal noch eine weitere Razzia gibt. Mir geht es super.
Nun sind 11 Monate vergangen. Noch immer wurde keine Anklage erhoben. Noch immer warte ich darauf, meine Technik und meine Briefe wiederzubekommen. Rechtsgrundlage der Hausdurchsuchung ist der Verdacht auf § 129 StGB - kriminelle Vereinigung. Details findet ihr auf der Website der Menschen gegen Öl - der Zusammenschluss der Menschen, die sich gegen diesen demokratiegefährdenden Vorwurf wehren.
Ich habe oft Gerichtstermine, bei denen ich mich meist ohne Anwalt hochpolitisch verteidige. Abgesehen von kleinen Spenden meiner Leser werde ich für Klimaaktivismus nicht bezahlt. Ich habe offene Bußgelder und Strafen in Höhe von ca. 25.000 €. Wenn ich Geld brauche, arbeite ich als Softwareentwickler, habe also weniger Zeit für meine politische Arbeit. Wenn ihr mir Geld schicken möchtet - hier ist meine PayPal-Adresse: paypal@blaeul.de